Am Montag den 07.03.2022 wurde der Haushalt des Landkreises Hof für das Jahr 2022 verabschiedet. Die SPD-ALB-Kreistagsfraktion hat dem Plan diesmal nicht zugestimmt. Die Begründung hierfür lieferte Fraktionsvorsitzender Christian Zuber in seiner Hausaltsrede. Diese gibt es hier zum Nachlesen.
Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir Kreisräte entscheiden heute über den Haushalt 2022 und somit über die finanzielle Ausstattung in diesem Jahr, natürlich auch verbunden mit Auswirkungen auf die Folgejahre. Wir alle haben gehofft, dass wir nun – nach 2 Jahren Pandemie - Licht am Ende des Tunnels sehen und langsam wieder in eine gewisse Normalität kommen können. Aber wir erleben nun leider, um es mit den Worten unseres Bundeskanzlers zu sagen, eine „Zeitenwende in Deutschland und Europa“. Der Angriffskrieg Putins und die Tatsache, dass nun wieder Krieg in Europa herrscht, macht uns alle traurig und wütend zugleich. Wie selbstverständlich war es für uns alle - und damit meine ich die Generationen, wie wir hier sitzen – dass wir in Frieden aufwachsen und leben durften. Stolz können wir bereits jetzt auf die gelebte Solidarität und die Hilfsbereitschaft vieler Menschen, auch hier in unserem Landkreis, sein. Danke an alle, die sich hier schon engagieren und weiter einbringen werden! Danke auch an den Landkreis und an Sie, Herr Landrat, für den schnellen Aufbau von Plattformen für Wohnraum und Hilfsgüter. Dies funktioniert im engen Schulterschluss mit den Kommunen und Hilfsorganisationen sehr gut und es ist wichtig, dass dies an zentraler Stelle im Landkreis gesteuert und organisiert wird. Die Welt steht nun vor einem Umbruch und dieser Umbruch wird auch Konsequenzen für unser Handeln vor Ort mit sich bringen. Konsequenzen, die wir heute noch gar nicht abschätzen können und die morgen schon wieder ganz anders aussehen werden.
Wir werden daher auch in der kommenden Zeit genau hinsehen müssen, welche Veränderungen wir in der Kreispolitik vornehmen müssen, welche Projekte Vorrang haben und welche vielleicht auch mal hinsichtlich ihrer Dringlichkeit oder Notwendigkeit hinterfragt werden müssen. Deshalb wünschen wir uns für die kommenden Jahre, dass uns, den Fraktionsvorsitzenden, die Eckpunkte des Haushalts schon vor Veröffentlichung der Haushaltsvorlage und vor den großen Entscheidungen im Bauausschuss und Kreisausschuss vorgelegt werden, um frühzeitig auch gemeinsam Entscheidungen zu treffen, ob Projekte jetzt oder erst später umgesetzt werden und mit welchen Vorschlägen an Projekten und Höhe der Kreisumlage wir in die Haushaltsberatungen gehen. Darüber haben wir im Vorfeld auch schon mit unserem Kreiskämmerer und mit anderen Fraktionen hier im Kreistag gesprochen. Unserer Kreiskämmerer Dietmar Scholz hat dies durchaus als gut befunden. Sagt sich natürlich leicht, weil er nach 30 Jahren mit diesem Tag auch seinen letzten HH-Plan vorgelegt hat.
Der Blick auf die Haushaltszahlen, die uns vorgelegt wurden, stimmen zunächst optimistisch und ich danke hier schon unserem Kreiskämmerer Dietmar Scholz für die Zusammenfassung der wesentlichen Zahlen aus dem sehr umfangreichen Haushaltsplan und auch dafür, dass er sich in unserer Fraktionssitzung wieder Zeit genommen hat für Erläuterungen, Anregungen, fachliche Expertisen und so manch kritisches Hinterfragen.
Eines möchte ich meinen Ausführungen voranstellen: Wir als Fraktion stehen hinter vielen Projekten, die im Haushalt 2022 abgebildet und für die Zukunft des Landkreises auch wichtig sind, seien es die Modernisierungen unserer Kliniken in Naila und Münchberg oder weitere Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Einen weiteren Punkt, der uns als Fraktion sehr wichtig ist, ist die weitere Modernisierung unseres ÖPNV. Auf unseren Antrag hin wurde, von allen mitgetragen, ein Arbeitskreis ÖPNV im Landkreis eingerichtet, der seine Arbeit sehr zügig aufgenommen hat und auch sehr zielgerichtet arbeitet. Entscheidend dabei ist uns der Blick aufs Ganze, denn nur durch ein einfaches und modernes Buchungssystem und sehr niedrige Fahrtkosten kann der ÖPNV auf dem Land auch eine hohe Akzeptanz erfahren. Dazu gehört auch die intelligente Vernetzung mit bestehenden Systemen wie bestehenden Buslinien, dem Bahnverkehr, dem erfolgreichen Pilotprojekt „Landbus“ oder dem seit über 25 Jahren beliebten AST in Münchberg. Entscheidend ist aber auch die Zusammenarbeit mit der Stadt Hof. Es kann nicht sein, dass darüber seit mittlerweile Jahrzehnten eine Diskussion zwischen Stadt und Landkreis erfolgt, ohne eine Einigung zu erzielen. Am Wochenende war in der Zeitung zu diesem Thema groß zu lesen, und die Überschrift „In den ÖPNV kommt Bewegung“ drückt eines ganz klar aus: es muss jetzt tatsächlich Bewegung in die Sache kommen. Wir bitten Sie, Herr Landrat, dass Sie sich weiterhin dafür stark machen, dass nach vielen Jahren erfolgloser Versuche für eine gemeinsame ÖPNV-Zusammenarbeit eine Einigung zwischen Stadt und Landkreis erzielt wird, sei es durch die Gründung eines Zweckverbandes oder ähnlicher Modelle. Jeder, sowohl der Landkreis als auch die Stadt Hof, müssen jetzt den Willen zur Zusammenarbeit in die Tat umsetzen und dazu gehört es auch, dass die Verantwortlichen auch mal über die existierenden- noch sehr langen - Schatten springen und eine Lösung im Sinne der Attraktivität und der flexiblen Nutzbarkeit des ÖPNV treffen.
Ich habe mir die 1044 Seiten des Haushalts sehr aufmerksam durchgelesen. Auf der einen Seite könnte man sagen „Schöne und erfreuliche Zahlen“, ist doch die Umlagekraft des Landkreises nahezu doppelt so hoch als in Bayern gestiegen, nämlich um 11,3%. Dies zeigt, dass die Auswirkungen von Corona, auch dank unserer mittlerweile breiter aufgestellten Industrie und aufgrund der Kompensationszahlungen von Bund und Land, ganz gut abgefedert werden konnten. Auf der anderen Seite schlägt die Landkreisverwaltung jedoch nur eine Minderung des Kreisumlagenhebesatzes um einen halben Prozentpunkt vor, was eher einer „Alibi- Senkung“ gleicht: Der Landkreis bekommt dadurch sein Geld auf jeden Fall, die Kommunen müssen jedoch bangen, ob nicht weitere Corona-Wellen und die nicht vorhersehbaren Folgen der Ukraine- Krise Finanzlöcher in die Kassen spülen und somit auch wichtige Bauprojekte, egal ob im Hoch- oder Tiefbau, geschoben werden müssen. Deshalb sage ich bereits an dieser Stelle, dass wir uns seitens der SPD/ALB- Fraktion eine deutlichere Senkung des Kreisumlagenhebesatzes gewünscht und auch für möglich erachtet hätten. Denn der Landkreis nimmt trotz der vorgeschlagenen Senkung um einen halben Prozentpunkt noch immer 4,5 Mio.€ mehr über die Kreisumlage ein als im vergangenen Jahr.
Wo steckt noch Luft? Ich erwähne hier exemplarisch die massiven Restebildungen aus den Vorjahren oder die Tatsache, dass wir in den Jahresrechnungen der letzten Jahre deutlich gesehen haben, dass doch einige Millionen am Ende des Jahres mehr übrigbleiben als kalkuliert.
Ich möchte aber auf einen Punkt nochmals deutlicher eingehen, nämlich die angemeldeten Projekte im Straßenbau. Uns ist natürlich bewusst, dass der Landkreis ebenso wie die Kommunen einen großen Sanierungsstau vor sich herschiebt und wir begrüßen es als SPD/ALB- Fraktion ausdrücklich, dass in die Verkehrsinfrastruktur des Landkreises weiterhin investiert werden soll und auch muss. Deshalb stellen wir auch keines der Projekte in Frage. Dabei ist es sicherlich legitim und durchaus auch geschickt, möglichst viele Projekte im Straßenbau anzumelden, genießt man doch als Stabilisierungslandkreis den Vorteil deutlich höherer Förderquoten. Jedoch braucht es nicht nur das Geld, sondern auch die Manpower in der Verwaltung, die Baufirmen und Ingenieurbüros (die oft randvoll sind), vielerorts noch Grunderwerb und Abstimmung mit anderen Behörden, um die Projekte überhaupt in die Umsetzung bringen zu können. Blickt man in die veranschlagten Baumaßnahmen der Vorjahre, so sieht man dort ganz konkret, dass das Straßenbauprogramm zwar immer wünschenswert und notwendig gewesen wäre, aber aufgrund gerade genannter Punkte gar nicht oder nur verzögert umsetzbar war und im Folgejahr auf etlichen Positionen neu angesetzt und Finanzmittel eingestellt werden müssen. Nach Rücksprache mit dem Bauamt des Landkreises am vergangenen Freitag kann man die Aussage „sportlich, ambitioniert und wahrscheinlich in Gänze nicht umsetzbar“ auch auf gewisse Projekte im Straßenbauprogramm 2022 übertragen. Auch hier hätte man also durchaus Ansätze reduzieren können ohne Projekte streichen zu müssen, mit dem Effekt, gleichzeitig die Städte und Gemeinden zu entlasten.
Inhaltlich möchte ich noch auf zwei weitere Punkte eingehen:
1. Das Thema „Höllentalbrücken“ befindet sich weiterhin und gerade aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage mehr denn je in einer kontroversen Diskussion. Die Öffentlichkeitsbeteiligung hat nun, wenn auch deutlich hinter dem angestrebten Zeitplan liegend, stattgefunden. Eine Mehrheit hat damals dem Grundsatzbeschluss und den ersten Planungsschritten hier im Kreistag zugestimmt, immer unter dem Vorbehalt, auch die Reißleine ziehen zu können, wenn z.B. umwelttechnische oder kostentechnische Aspekte einer Umsetzung im Weg stehen. Deshalb sollte uns allen, egal ob wir die Brücken für einen Gewinn für die Region oder für Geldverschwendung handeln, eines bewusst sein und daran muss sich der Landkreis auch messen lassen: Ist die seitens der Landkreisführung propagierte Rentierlichkeit der Gesamtmaßnahme als solide Finanzierungsgrundlage dauerhaft gegeben oder unterliegt man hier eher einer Selbsttäuschung? Es wird immer wieder betont, dass es sich beim Brückenprojekt um eine „rentierliche Verschuldung“ des Landkreises handeln wird, d.h. es wird keine Haushaltsbelastung durch den Schuldendienst erfolgen, die Tilgung soll erst nach Fertigstellung beginnen und die Einnahmen werden die kompletten Ausgaben decken. Übersetzt heißt das aber auch: Es darf keine zusätzliche Belastung durch die Frankenwaldbrücken für die Kommunen über die Kreisumlage geben! Im Moment geht man in der Kreisentwicklung von 23 Mio.€ Gesamtkosten und einem darauf entfallenden staatlichen Zuschuss von 16 Mio.€ aus, dies wurde ja vor ein paar Monaten nochmals dem Kreisausschuss präsentiert.
Wir als SPD/ALB befürchten, dass diese Zahlen mit der Realität nur noch wenig zu tun haben werden. Schauen Sie sich als aktuelles und, was künftige Kostenentwicklungen angehen wird, zugleich unerfreuliches Beispiel nur die Vervierfachung der Eigenmittel von ursprünglich geplant 925.000 € auf jetzt rd. 4,05 Mio. € bei der energetischen Sanierung des Landratsamtsgebäudes in den letzten drei Jahren an.
Aufgrund zu erwartender Baupreisexplosionen und der für 2022 angekündigten Aktualisierung der Finanzplanung werden für das Brückenprojekt deshalb neue Zahlen auf den Tisch kommen, die aus unserer Sicht eine Neubewertung des Projektes erforderlich machen.
Wir als SPD/ALB fordern, dass auf Basis der neu kalkulierten Bau- und Unterhaltskosten, der Fördermittel und des Businessplans im Kreistag ein Beschluss über die Fortsetzung, das Pausieren oder das Canceln des Brückenprojekts gefasst wird, der sich an besagter Rentierlichkeit dann auch messen lassen muss.
Wir haben in der Fraktion sehr kontrovers und in mehreren Sitzungen über das „Ja“ oder „Nein“ zum Kreishaushalt 2022 diskutiert. Letztendlich waren für unsere Entscheidung aber einerseits die soeben erwähnten Kritikpunkte und der damit zum Ausdruck gebrachte Wunsch nach einer anderen Ausrichtung bei aktuellen Schwerpunktthemen und andererseits auch die durchaus mögliche und vor allem deutlichere Entlastung für die Kommunen durch eine stärkere Senkung des Kreisumlagenhebesatzes ausschlaggebend gewesen!
Der Landkreis hätte dadurch keine Abstriche in Kauf nehmen müssen, gleichzeitig hätte es den Städten und Gemeinden in diesen turbulenten Zeiten mehr Luft zum Atmen gegeben.
Daher wird die SPD/ALB- Fraktion dem diesjährigen Haushalt 2022 nicht zustimmen.