Der SPD-Kreisverband Hof-Land lud ein – zahlreiche Interessierte folgten: Bei der Diskussion mit dem Titel „Industrie 4.0 – Wirtschaft der Zukunft!?“ ging es um die Chancen der Digitalisierung. Aber auch die Risiken für Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden ausgeleuchtet.
Schwarzenbach/Saale – „Wo früher Fabrikarbeiter schweißtreibende Arbeit verrichteten, geht es heute um die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung, “ begrüßte Adelt die Gäste in der ehemaligen Massemühle des Porzellanwerkes Winterling und bedankte sich in diesem Zuge bei der Hausherrin, Cäcilia Schäffler, als Geschäftsführerin des gemeinnützigen Kommunalunternehmens (gKU) ‚Winterling' für die Bereitstellung der „saustarken Räumlichkeiten“. Schäffler stellte daraufhin das interkommunale Unternehmen vor, dessen Fokus auf der Ertüchtigung und Vermarktung der riesigen Gebäudekomplexe an den ehemaligen Winterling-Standorten liegt. Einer der Mieter ist die Firma Delsana, die für die Veranstaltung die Massemühle durch innovative Lichtinszenierung extra besonders in Szene setzte und für die Alexander Eberl das Wort ergriff. Als ehemaliger Bürgermeister und Mitinitiator des gKU freute er sich darüber, dass das Projekt als Modell in der Städtebauförderung etabliert werden konnte.
Im Anschluss stieg Professor Dr. Göbel, Leiter des Instituts für Informationssysteme an der Hochschule Hof (iisys) ins Thema „Industrie 4.0“ ein. In seinem Impulsvortrag referierte er über aktuelle Entwicklungen und Möglichkeiten neuer Technologien mit dem Ziel der Effizienzsteigerung und einem höheren Grad der Automatisierung. Unter dem Titel des „Internets der Dinge“ entwickeln sich zunehmend Produkte mit eigener Intelligenz. „Maschinen und Geräte könnten in Zukunft selbst lernen und planen. Sie werden komplexe Situationen genauer und vollständiger erfassen und damit bessere Prognosen abgeben. Dies wirkt sich auch auf unser aller Alltag aus, “ stellte Göbel dar. Demnach könnten zum Beispiel in Zukunft Computer an Service-Hotlines nicht nur Gespräche führen, sondern deren Inhalte auch direkt analysieren. Stellt sich dabei heraus, dass bei einem Produkt stets ähnliche Probleme auftreten, könnten Maschinen selbst deren Verbesserung planen und die anschließende Produktion beeinflussen. Dies habe Auswirkungen auf die menschliche Arbeitswelt. Göbel plädierte dafür, dass sich die Gesellschaft auf den digitalen Wandel vorbereiten und diesen gestalten müsse.
Moderator Jörg Nürnberger griff das Statement auf und fragte das Podium nach den Chancen und Risiken des digitalen Wandels. Für Doris Aschenbrenner, netzpolitische Sprecherin der BayernSPD, geht es um drei Punkte: Zum einen wäre die Digitalisierung aus wirtschaftspolitischer Sicht zu betrachten. Hier müsse Deutschland aufpassen, im internationalen Vergleich nicht abgehängt zu werden. Zum zweiten gehe es um die Zukunft der Arbeit. „Es besteht die Gefahr, dass es in Zukunft nur noch zwei Arten von Arbeitnehmern gibt: Menschen, die Maschinen sagen, was diese tun sollen und solche denen Maschinen sagen, was sie tun sollen.“ Und zum dritten geht es um die Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Menschen. Besonders der Anspruch der Flexibilität und der dauerhaften Erreichbarkeit könne Menschen überfordern.
Dies rief Kai Hammerschmidt, Geschäftsführer der KaGo & Hammerschmidt auf den Plan. Er sieht genau darin mögliche Schattenseiten der aktuellen Entwicklung und forderte eine „Hab-Acht-Stellung“: „Bei aller Effizienzsteigerung darf der Mensch nicht auf der Strecke bleiben. “ Als Beispiel hielt er symbolisch sein Handy in die Höhe: „Dadurch besteht die Gefahr, dass manche Unternehmen ihre Mitarbeiter 24 Stunden 7 Tage die Woche in Anspruch nehmen. Durch neue technische Möglichkeiten wurden die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verflüssigt.“ Dies hat er in seinem Unternehmen zum Thema gemacht und dazu aufgefordert, außerhalb der normalen Arbeitszeit nur in bestimmten Fällen begrenzt für die Firma erreichbar zu sein. Volker Seidel, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Ostoberfranken, griff diesen Aspekt auf: „Den digitalen Wandel aufzuhalten macht keinen Sinn, er muss aber konstruktiv gestaltet werden.“ Er sah eine Gratwanderung zwischen neuen Freiheiten und neuen Zwängen. „Es braucht Schutzmechanismen für die Arbeitnehmer um mögliches Ausnutzen durch Arbeitgeber und Selbstausbeutung zu verhindern.“ In manchen Betrieben wird mittlerweile über das zeitweise Abschalten von Servern diskutiert um dadurch den permanenten Informationsfluss zu unterbinden. Gerhard Strunz konnte aus seinen Erfahrungen als Sozialsekretär des kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt berichten. Psychische Erkrankungen hätten angesichts des steigenden Leistungsdrucks und der Schnelligkeit der Entwicklung zugenommen. Auf die Frage Nürnbergers nach der Aufgabe der Kirche, wies Strunz auf die Aufforderung des EKD-Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm hin: „Kirche muss sich einmischen und sich vor allem um die Verlierer dieser Entwicklungen kümmern. Immer mehr Menschen werden abgehängt, für diese müssen wir da sein.“
Nürnberger fragte weiterhin, was „Industrie 4.0“ vor dem Hintergrund der Globalisierung für die Volkswirtschaft bedeutet. Prof. Dr. Göbel sah die Herausforderung im Umgang mit der Digitalisierung. Sein Vorschlag: Nicht vorab in eine Regelungswut verfallen, sondern auf spezifische Probleme reagieren und Lösungen suchen. Besonders wichtig ist es, die Diskussion darüber gesamtgesellschaftlich zu führen und die Menschen mitzunehmen. Hammerschmidt würde es begrüßen, wenn es für Unternehmen einen „Führerschein“ gibt, wie diese den digitalen Wandel gestalten können. Dem entsprach Strunz: „Es braucht eine Unternehmenskultur, die die menschlichen Ressourcen nicht verbrennt und Selbstausbeutung verhindert.“ Doris Aschenbrenner sah in der Diskussion wichtige Ansatzpunkte für traditionelle Themen der Sozialdemokratie. Es geht wieder um die Zukunft der Arbeit und das Verhältnis von Arbeit und Kapital. Jahrelang wurde für eine Begrenzung der täglichen Arbeitszeit gekämpft, aktuell wird der 8-Stunden-Tag durch die Flexibilisierung wieder in Frage gestellt. „Hier dürfen wir als SPD nicht einknicken, “ forderte Aschenbrenner.
Auch ein zweites klassisches Thema der SPD ist mit der Digitalisierung verknüpft: „Wir brauchen digital mündige Bürgerinnen und Bürger und dafür brauchen wir entsprechende Bildungsmöglichkeiten!“ Menschen müssen dabei unterstützt werden, die nötige Selbstdisziplin im Umgang mit der digitalen Welt zu erlernen. Der kirchliche Vertreter Strunz forderte mehr Zeit und Geld für Bildungsangebote für Arbeitnehmer. Hammerschmidt will entsprechende Fächer in der Schule, die den jungen Menschen zum einen den Umgang mit Medien und andererseits die nötige Achtsamkeit mit sich selbst beibringen. Volker Seidel stimmte zu und legte Wert darauf, dass die Förderung sozialer Kompetenzen von klein auf wichtig ist. Nürnberger fragte schließlich nach der aktuellen Situation in Hochfranken in Sachen Digitalisierung. Dr. Göbel wies u.a. auf Workshops seines Institutes hin. Hier versucht man Forschung und Praxis an einen Tisch zu bringen um neue Projektideen zu entwickeln und den Wirtschaftsstandort Hochfranken zu stärken. Eine Finanzierung sei bereits gegeben. Allgemein sah er die Entwicklung in Hochfranken sehr heterogen. „Wir stehen zwischen 0 und 80 Prozent.“
Grundsätzlich ist für die Digitalisierung die nötige Infrastruktur notwendig, meinte Kai Hammerschmidt. „In Sachen Breitbandausbau haben wir in Deutschland zu lange geschlafen, andere Nationen sind da schon viel weiter.“ Aschenbrenner wies ausdrücklich nochmals auf die Chancen für den ländlichen Raum hin. Neue innovative Start-Ups können entstehen, die mehr oder weniger standortunabhängig tätig sind. Schließlich braucht es für diese neuen Unternehmensformen weniger Rohstoffe. Gefragt seien vor allem kluge Köpfe. „Das Silicon Valley war zuvor eine Wüste, da sehe ich Frankenwald und Fichtelgebirge klar im Vorteil, “ meinte Aschenbrenner schmunzelnd. Hier kann man mit hoher Lebensqualität punkten, die dazu einlädt, Freizeitaktivitäten in der Natur nachzugehen und zu entspannen.
„Dieses Thema wird uns noch lange beschäftigen. Chancen und Risiken sind abzuwägen, “ waren sich Michael Stumpf von der SPD Schwarzenbach/Saale und Klaus Adelt in ihrem Schlusswort einig. Grundsätzlich gelte: „Innovative Entwicklungen haben – nicht nur wirtschaftlich - auch großen Nutzen! Diesen müssen wir gestalten. Und wenn wir dabei die Menschlichkeit und Gerechtigkeit im Auge behalten, kann uns das gut gelingen!“ Die Diskussion wurde schließlich in vielen persönlichen Gesprächen bei einem kleinen Imbiss fortgesetzt, zu dem der Kreisverband einlud.